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Kundenservice. Ich bin gerne für Sie da?!

Lesezeit: 8 Minuten

„Ihre Kunden kümmert es nicht, wie viel Sie wissen, bis sie wissen, wie viel Sie sich kümmern.“(Damon Richards)

Auf der Suche nach Kundenservice mit WOW Effekt.

Niemand kommt um den Onlinehandel herum, dennoch zieht es mich immer wieder in ein „richtiges“ Geschäft - mit echten Menschen und Produkten zum Anfassen.

Zum Ausklang der heißen Tage wollte ich daher noch eine erfrischende Sommergeschichte mit dem Thema „exzellenter Kundenservice“ schreiben. Inhaltlich verpackt mit einigen besonders tollen Kundenerlebnissen. Eine Geschichte, leicht & bekömmlich, wie ein Sommerspritzer.

Ja eigentlich. Und eigentlich kam es dann so, wie es oft so ist. Suchst du ein bestimmtes paar Schuhe, findest du dieses mit Sicherheit nicht. Und genau so ging es mir mit meinen positiven Kundenerlebnissen.

 

Quelle: http://www.oewb.ostarrichi.org/
Quelle: http://www.oewb.ostarrichi.org/

 

Ignoranz

Genauso fühlte ich mich in einem kleinen Shop eines großen Telekommunikationsunternehmens. Ignoriert. Im kartongroßen Geschäft standen zwei Mitarbeiter und ein Kunde mit seiner Tochter. Ich betrat das Geschäft, grüßte, wurde nicht beachtet. Ein Mitarbeiter war mit seinem Notebook beschäftigt, der andere hat mit dem Kunden gesprochen. Nach geduldigem Warten von etwa 6-7 Minuten….versuchte ich einen Anlauf.

 

„Entschuldigung, sind sie BEIDE mit dem Kunden beschäftigt?“

„Ja, ich schule den Kollegen gerade ein.“ (offensichtlich über Telepathie, denn es wurde nichts gesprochen)

„Verstehe. Ist ihnen aufgefallen, dass ich schon eine Weile hier stehe? Eine kurze Info wäre ganz nett. Im Sinne von..….wird ein paar Minuten dauern, ich schule den Kollegen ein. Dann kenn ich mich aus. Es ist für mich nicht ersichtlich, dass sie BEIDE mit dem Kunden beschäftigt sind.“

„In anderen Shops müssen sie eine Nummer ziehen und kommen auch nicht gleich dran.“

„Das weiß ich, aber das war nicht das Thema. Mir ist nicht klar, ob sie mich überhaupt registriert haben. Kein Augenkontakt, kurzes Lächeln, was auch immer.“

„Was wollen sie denn?“ (Augen rollend, scharfer Ton)

„Eigentlich hätte ich nur eine kurze Frage gehabt. Warum sind sie so unfreundlich?

„Sehe ich anders, aber da kann man halt nichts machen.“ (Schulterzucken)

 

Ich hatte keine Lust mir weitere pampige Antworten anzuhören. Schade um die Zeit. Kurze Verabschiedung. Abgang.

 

„Your most unhappy customers are your greatest source of learning.“(Bill Gates)

Der italienische Sommer

Hin und wieder habe ich Heißhunger auf Burger und es treibt mich in den Fastfood Laden. Es sind „Italian Summer“ Wochen. Ich „stolpere“ über den Litte Italy Burger. Eine Beschreibung, was sich genau darin befindet, ist nicht zu finden. Bezahlt wird an der Kasse, denn da kann ich noch fragen, wie sich dieser Burger genau zusammensetzt. Die junge Dame an der Kasse war sehr freundlich, konnte aber nicht weiterhelfen, da sie neu war. Macht nichts. Kollege wird gerufen.

„Was ist denn genau der Little Italy Burger?“ Der junge Mann sieht uns an und sagt: „Na ein Burger halt.“ Er lacht, weil er diese Antwort offensichtlich selber unglaublich witzig findet. Wir haben es nicht so lustig gefunden. Eigentlich gar nicht lustig. Stirnrunzeln unsererseits. Funkstille. Darauf eine weitere Antwort: „Was soll schon drinnen sein? Ein Laberl halt, Zwiebel und eine Ooooooreeeeeeganooooo-Sauce“. Ich bin mir ganz sicher, er weiß nicht nur nicht, wie man Kunden eine Auskunft erteilt, er weiß auch nicht, was Oregano ist :)

 

Im Strandbad (Kantine wirbt mit außergewöhnlichem kulinarischen Erlebnis)

Mittag. Dame (Stammgast) vor mir fragt jungen Mann hinter der Theke.

„Warum sind denn die Portionen auf einmal so klein?“

Antwort: „Das weiß ich nicht, da müssen sie den Chef fragen.“

„Ist der Erdäpfelsalat selber gemacht oder gekauft?“

Antwort: „Das weiß ich nicht, da müssen sie den Chef fragen.“

 

Nachmittag. Anderer Gast, anderer Mitarbeiter:

„Früher gab es immer frische Vollmilch im Kaffee, jetzt nur mehr H-Milch. Warum ist das umgestellt worden?“

Antwort: „Das weiß ich nicht, fragen sie den Chef. Wollen sie in sprechen?"

"Ja, bitte."

Antwort: "Er ist jetzt aber leider nicht mehr da."

 

Nachmittag im Shop (von den Besitzern auch liebevoll Badboutique genannt).

Dame neben mir redet mit Verkäuferin.

„Schade, dass es diese Bikinis nur im Set gibt und die Teile nicht einzeln zusammenstellbar sind.“

Antwort: „Der Chef kauft die Ware ein, da müssen sie ihn fragen.“

 

Warum muss die Kundin/der Kunde eigentlich alles mit dem Chef besprechen? Wie wäre es mit etwas mehr Eigeninitiative?

Die Antwort lautet wahrscheinlich: „Da müssen sie den Chef fragen.“ :)


Auswirkungen von Einkaufserlebnissen

Im Rahmen der Untersuchung (rep. für die österreichische Bevölkerung 14+, n=1000) wurde vom Gallup-Institut die Wirkung von enttäuschenden und begeisternden Erlebnissen in der Phase des Kaufabschlusses untersucht.

Welches Multiplikatorenpotenzial steckt in den begeisternden Einkaufserlebnissen? Und wie viel „Sprengkraft“ - im Sinne der Word-of-Mouth-Kommunikation, Wechselbereitschaft und Beschwerdeabsicht - haben die negativen Einkaufserlebnisse?

 

Multiplikatorenpotenzial

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass besonders negative und besonders positive Einkaufserlebnisse in etwa das gleiche Multiplikatorenpotenzial haben: Drei von vier Personen würden von einem enttäuschenden Vorfall weiter erzählen (76%) und genauso viele von einem begeisternden (77%).

Reklamation

Die Wahrscheinlichkeit, sich bei Unzufriedenheit zu beschweren, ist bei 73% der ÖsterreicherInnen gegeben.

Loyalität

Bei einem unbefriedigenden Erlebnis in der Kaufabschlussphase ziehen nur 20% der ÖsterreicherInnen keinen Anbieterwechsel in Betracht,  21% sind unentschlossen, der überwiegende Teil (56%) würde die Kundenbeziehung nicht fortführen, sondern zu einem anderen Anbieter wechseln.

 

WORD-OF-MOUTH NACH EINEM NEGATIVEN EINKAUFSERLEBNIS - KANÄLE

Quelle: www.gallup.at/de/unternehmen/aktuelles/auswirkung-von-einkaufserlebnissen/
Quelle: www.gallup.at/de/unternehmen/aktuelles/auswirkung-von-einkaufserlebnissen/

DHL-Service-Mitarbeiter platzt auf Twitter der Kragen

Quelle: Twitter/DHL Paket
Quelle: Twitter/DHL Paket

 

Dem Ausraster des DHL-Mitarbeiters war eine Kundenbeschwerde vorausgegangen. Bei der Arbeit mit Kunden kann einem schon mal die Hutschnur reißen. Nur passiert das besser nicht, wenn 37.000 Follower auf Twitter mitlesen. So wie bei DHL geschehen.

Ausrutscher in sozialen Medien

Kunden erwarten von Unternehmen nicht nur eine solide Präsenz in sozialen Medien, sie erwarten auch, über diese Kanäle Hilfe zu erhalten. Nach einer schlechten Erfahrung nehmen sich Kunden Unternehmen oft auf Twitter, Facebook und immer öfter Google vor. Wenn das Unternehmen wartet, bis sich ein Problem auf den sozialen Medien zu einer ausgewachsenen Krise ausgeweitet hat, ist es bereits zu spät. Zu viele Unternehmen verstehen immer noch nicht, wie schädigend es sein kann, wenn MitarbeiterInnen auf sozialen Medien in einem öffentlichen Forum zu spät oder zu ungeschickt reagieren.


Von Höflichkeiten bis Frechheiten

Als Head of Customer Service verantwortete ich das Kundenerlebnis von Privat- und Businesskunden - mit 11.000 Kontakten pro Monat. Eine große Verantwortung, sich um das Wohlergehen dieser KundInnen kümmern zu dürfen. Und wer so wie ich, über 25 Jahre in der Kundenbetreuung tätig ist, dem ist zu diesem Thema auch nichts mehr fremd. Von netten Gesprächen und Dankschreiben bis zu wüsten Beschimpfungen - alles dabei. Zu meinem absoluten Lieblingssatz zählt: „Wissen sie eigentlich wer ich bin?“ Übrigens, die wirklichen VIPs und berühmten Persönlichkeiten sind oft sehr angenehme, ruhige Zeitgenossen.

 

Ein Job im Kundenservice ist herausfordernd. Anforderungen und Ansprüche von Kunden werden immer höher, die Hemmschwelle für verbale Übergriffe fällt zunehmend. Waren Reaktionszeiten bei E-Mail Anfragen von 48 Stunden früher noch state-of-the-art, werden Kunden bereits unruhig, wenn sie nach 5 Stunden keine Antwort erhalten. Im Social Media Bereich liegt die Erwartung bei jetzt/sofort.

 

Wer schon einmal mit Kunden zu tun hatte, weiß: Deeskalation ist das Wort der Stunde. Jeder noch so unfreundliche, pampige und hirnverbrannte Kommentar, den man privat am liebsten mit Tape überkleben würde, behandelt man im Job in der Regel mit Geduld, Würde und Freundlichkeit.

 

„Customer Satisfaction ist worthless. Customer Loyality ist priceless.“(Jeffrey Gitomer)

Kundenservice ist gesunder Menschenverstand

Viele wissen vielleicht, wie sie eine exzellente Erfahrung liefern könnten, tun es aber nicht. Es gibt viele Gründe, wieso es beim Kundenservice so oft hapert. Hier drei wichtige:

 

1.    Die falschen Personen: Die richtigen MitarbeiterInnen zu finden, ist nicht immer einfach. Auf Basis von Ausbildung, Kompetenzen und Fertigkeiten einzustellen, ist eine Sache, aber es werden Personen benötigt, die Kundenverkehr und Kommunikation mögen, sich grundsätzlich auf Andere einstellen können und auch eine Portion Humor mitbringen (den man zwingend braucht für diesen Job). MitarbeiterInnen, die selbstreflektiert und lernfähig sind, sich weiterentwickeln und zum Unternehmen passen. Kundenbetreuer/in sollte man mit Herz und Seele sein.

 

2.    Die Firmenkultur: Manchmal bedingt eine Unternehmenskultur keine optimalen Kundenerfahrungen, etwa wenn Standards oder Visionen, Kundenservice zu bieten, nicht gegeben sind. Werte, Visionen, Ziele gehören erarbeitet, vereinbart, vermittelt und gelebt. Diese lediglich in eine Schulungsmappe zu schreiben, wenn überhaupt, genügt nicht.

 

3.    Die passenden Trainings und Schulungen: MitarbeiterInnen im Kundenservice laufend zu schulen, zu fördern, weiterzuentwickeln ist unabdingbar, um eine hohe Qualität im Service zu bieten. Abseits von fachlichen Trainings, Reklamations- und Konfliktmanagement sowie auswendig gelernten Phrasen, Textbausteinen und Worthülsen (alles Klassiker), werden aus meiner Sicht immer wichtiger - auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit im Team:

Selbstverantwortung, Kreativität, Lösungskompetenz, Vermittlung von (Firmen-)Werten, Wertschätzung und Kooperation, kommunikative Fertigkeiten und Körpersprache (gerade im direkten Kundenverkehr), Diversity* sowie (leider jetzt zunehmend) Rechtschreibung & Grammatik.

 

*Diversität ist ein Konzept der Soziologie und Sozialpsychologie, das in der Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft analog zum Begriff Diversity im englischsprachigen Raum für die Unterscheidung und Anerkennung von Gruppen- und individuellen Merkmalen benutzt wird. Häufig wird der Begriff Vielfalt anstelle von Diversität benutzt. Diversität von Personen – sofern auch rechtlich relevant – wird klassischerweise auf folgenden Ebenen betrachtet: Kultur (Ethnie), Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung, Religion (Weltanschauung). 

 

Kundenservice - Es gibt keine staus auf der extra-meile

 

Was hat nun Kundenbetreuung mit Generationenmanagement zu tun?

Sieht man sich in der heutigen Zeit an, wie sich in Unternehmen der Mitarbeiterstamm in punkto Alter zusammensetzt, wird einem sofort bewusst, dass sich die Zeiten geändert haben. Waren vor einigen Jahren noch die Baby Boomer (Jahrgänge ab 1950) in der Überzahl, so sind es nun die Generationen X (ab 1965), Y (ab 1980) und Z (ab 1995). Die Generation Alpha (ab 2010) steht natürlich noch nicht im Berufsleben.

 

Nicht nur das Alter hat sich verändert, sondern auch Denkweisen und Anforderungen an den Arbeitsplatz. Meiner Erfahrung nach, ist es nicht besonders förderlich, in Generations-Schubladen zu denken. So träge manchmal 50-Jährige dargestellt werden, so lasch haben wir doch auch schon 20-Jährige erlebt. Dennoch gibt es Unterschiede in Grundhaltungen und Werten, Einstellung zur Arbeitswelt und Arbeitsweise, Erziehung, Motivation, u.v.m.

 

Es geht um das Zusammenwirken von Generationen. Nicht nur am Arbeitsplatz. Sehen wir uns das Thema Kundenbetreuung an, so wird relativ schnell klar, dass auch hier unterschiedliche Generationen aufeinandertreffen. Nicht jeder Kunde wird gleich gerne geduzt oder findet nichts weiter an einer flapsigen Auskunft. So wie der eigene Umgang mit anderen Personen zwischen Privat- und Berufswelt bei einigen verschwimmen, so strikt grenzen andere ab. Es geht also darum, sich seines Gegenübers bewusst zu sein und darauf Rücksicht zu nehmen. Auch wenn wir in Zeiten leben, in denen alles etwas lockerer wird.

 

Von der Generation zur Zielgruppe zur Persona

Die Frage, die sich Firmen daher stellen sollten. Wie gut kenne ich meine Kunden und Zielgruppen, und welche Rolle spielt das in Bezug auf meine Kundenkommunikation?

Es gibt keine 2. Chance für den 1. Eindruck!

Abschließend möchte ich erwähnen, dass meine persönlichen Kundenerlebnisse während dieser Woche keine Eskalationsthemen waren und natürlich auch Momentaufnahmen. Dennoch, als Kundin war ich unzufrieden. Wäre ich Mystery Shopper, würden die Bewertungen entsprechend negativ ausfallen.

 

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