„There’s nothing more important than our good health - that’s our principal capital asset.“ (Arlen Specter)
einfach nur happy!
Nach einem schrecklichen Jahr mit Long Covid, kann ich endlich wieder gerade Sätze formulieren und auch wieder schreiben. Das macht mich unglaublich glücklich!
ein tolles Weihnachtsgeschenk
Mit grippeähnlichen Symptomen bekam ich mein positives Testergebnis. Wo ich mich angesteckt habe, weiß ich bis heute nicht. Als ich am 25. Dezember 2020 mit Symptomen eines Schlaganfalls in der Notaufnahme im Spital saß, wusste ich noch nicht, was 2021 auf mich zukommen wird. Das war auch gut so.
Im Schädel CT wurde nichts nachgewiesen, meine Blutwerte waren auch einigermaßen in Ordnung, also wurde ich von der Notaufnahme mit einigen Rezepten wieder nach Hause geschickt. Die blauen Flecken, die ich direkt nach meiner Infektion bekam, wurden registriert, gleichzeitig ignoriert. „Ja, das kennen wir von Covid, das geht wieder weg.“ Ursache könnte eine Blutgerinnungsstörung sein, hat mir dann jemand anderes erzählt.
Mit linksseitigen Nervenschmerzen im Kopf und Lähmungserscheinungen im Arm und der Hand stand ich dann also da vorm Weihnachtsbaum. Gemütliche Stimmung kam keine auf. Bewegen konnte ich mich auch nicht viel. Die heavy Medikamente (Antiepileptika) zollten ihren Tribut mit allen Nebenwirkungen, die sich im Beipacktext finden lassen.
Dann ging es Schlag auf Schlag weiter. Muskelstarre, Krämpfe im Gehirn und einige Wochen später eine Darmentzündung, die mich für einige Tage auf die Chirurgische Abteilung des Krankenhauses brachte. Dass ich zu dem Zeitpunkt schon starke Blutdruckschwankungen hatte, ging etwas unter bei mir. Immerhin musste ich mich auf gefühlt 10 andere Baustellen konzentrieren.
Mentaler Stress
Da ich mit Covid unterschiedliche Krankheitsbilder entwickelt hatte, war es mit diversen Facharztterminen nicht so einfach. Nur weil ich die Wagner bin, wartet auch niemand auf mich. Ich habe genauso wochenlange Wartezeiten, wie alle anderen. Natürlich suboptimal, wenn man dringend auf ärztliche Hilfe angewiesen ist. Wenn dann noch die ÖGK (Österreichische Gesundheitskasse), bei einer aktuell chronischen Erkrankung, alle 4 Wochen aktuelle und fundierte Facharztbefunde fordert, wird die Angelegenheit stressig und wirklich ungemütlich. D.h., nur mehr Privat- und Wahlärzte (Terminvergabe schneller) und dafür tief in die Tasche greifen.
Eine oft getätigte Aussage: "Frau Wagner, Sie brauchen viel Ruhe und Erholung, fahren Sie runter, entspannen Sie sich." Wie soll das funktionieren, wenn man einerseits aus dem letzten Loch pfeift und einem zusätzlich die Kasse ständig im Genick sitzt? Darauf hatte niemand eine Antwort.
Hinzukommt, dass sich die wenigsten Ärzte mit Long Covid auskennen. Was einen wiederum beunruhigt, wenn man mit Beschwerden unklarer Ursache zu kämpfen hat. Die Forschung steht am Anfang. Nach wie vor gibt es in Österreich kaum Fachärzte, Ambulanzen oder Anlaufstellen für Long Covid. Dabei geht man etwa von 10%-15% der Infizierten aus, die mit einem milden Verlauf oder asymptomatisch, durch Long Covid beeinträchtigt sein können. Im Gegensatz zu anderen Ländern, werden bei uns keine Zahlen erhoben.
Nahrungsergänzungsmittel
„Was sollen wir nicht noch alles machen?“, war eine Antwort eines Arztes auf meine Fragen. Oder gerne auch „Es ist alles neu, niemand kennt sich aus.“ Das stimmt natürlich, aber nach über einem Jahr Pandemie sollte zumindest der Wille da sein, eine bereits vorhandene Leitlinie für Long Covid zu lesen. Meine „best of Aussage“ aber war: „Solange Sie hier noch aufrecht sitzen können, kann es nicht so arg sein.“
Also habe ich begonnen, mich selber intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Ich habe Studien, Abstracts, Empfehlungen aus allen möglichen Ländern gelesen und in weiterer Folge versucht, meine Ärzte hier etwas einzubinden bzw. sie mit diesen Infos zu versorgen. Das war ihnen dann aber auch wieder nicht Recht. Erzähl einem Arzt etwas über seinen Job. :)
Ich bin eingetaucht in medizinische Literatur, habe mich mit Mitochondrien (Kraftwerke in unseren Zellen) auseinandergesetzt und meinen Tag mit 9 verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln gestartet. Nur morgens, abends gab es extra Portionen. Verpackt in meiner neuen, schicken, bunten Tablettenbox. Meine Oma wäre neidisch gewesen.
>> Gut zu wissen :))… Eisen sollte nicht mit Calcium, Magnesium und Zink kombiniert werden, jedoch soll Eisen mit Vitamin C eingenommen werden. K2 verbessert die Einnahme von Vitamin D3. Quercetin als Mastzellenstabilisator mit Vitamin C einnehmen, aber Achtung! Schilddrüsentabletten (die ich ebenfalls nehmen muss), kombinieren gleichzeitig so gar nicht mit allem. Also immer Pausen dazwischen. Dazu kommen ein Haufen Antihistamine und Mastzellenstabilisatoren, weil mein Körper der Meinung ist, ungebremst Mastzellen auszuschütten. Und nicht zu vergessen, die Einnahme von Betablockern und Antiepileptika. Diese mussten auch noch geschluckt werden. Beim Wechselwirkungs-Check „Frag deinen Arzt oder Apotheker“ wurde mir auch nicht so wirklich weitergeholfen.
Mastzellenaktivierung
Bei vielen Betroffenen ist auffällig, dass es nach einer Covid Infektion zu Problemen mit Histamin kommt. Das kann ein Hinweis auf Mastzellenaktivierung sein. Mastzellen gehören zu den weißen Blutkörperchen und diese haben wir alle im Körper. Mastzellen speichern Botenstoffe, wie z.B. Histamin, Heparin, Tryptase, Zytokine. Grundsätzlich positiv, aber wenn zu viele Botenstoffe auf einmal aktiviert werden, reagiert der Körper. Leider manchmal sehr stark, wie bei mir. Die Folgen waren Juckreiz, Ausschläge, inneres Vibrieren, extremes Herzrasen, chronische Nasennebenhöhlenentzündung, Muskelkrämpfe, Schweißausbrüche, Flushes (anfallsweise auftretende Rötung der Haut), Gelenkschmerzen und nicht zu vergessen Asthma. Meine Histaminanfälle kamen regelmäßig (und kommen manchmal immer noch) zwischen 1 und 3 Uhr in der Früh. Durch den gleichzeitig enormen Adrenalinausstoß ist an wieder Einschlafen nicht zu denken. Einfach perfekt, um am nächsten Morgen fit in den Tag zu starten. Am besten sogar, wenn man um 07:30 bei der PVA zum Erstbegutachtungstermin erscheint. Mein Körper war anwesend, mein Geist nicht in der Lage auch nur einen geraden Satz zu sprechen.
PVA
Apropos PVA. Wenn man aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zwar nicht dauerhaft, aber im Ausmaß von mindestens 6 Monaten, vorübergehend berufsunfähig ist, hat man die Möglichkeit Rehabilitationsgeld zu beantragen. Nennt sich auch Rehajahr. Ziel ist, wieder gesund zu werden (sich zu rehabilitieren) und ins Berufsleben zurückzukehren. Hört sich supi an. Die Praxis sieht nur so aus, dass mein Eindruck war (und auch der anderen), dass sich die PVA Ärzte weder mit Long Covid auskennen, noch sie überhaupt die Absicht haben, einem dieses Rehajahr zu bewilligen. Auch die Bearbeitungszeit ist interessant. Antrag September, 1. Termin November, 2. Termin Ende Dezember, 3. Termin soll folgen. Es ziiiiiiieht sich.
Mein Begutachtungstermin bei der Internistin, die ein so weitreichendes Urteil abgeben soll, dauerte 15 Minuten inkl. Untersuchung und einer dicken Mappe Befunde (die vorher nicht gesichtet wurde).
Der Großteil der Anträge wird abgelehnt. Die Frage sollte also erlaubt sein, wofür wird so eine Leistung überhaupt angeboten? Und was machen alle Abgelehnten? Der Anspruch auf Krankengeld ist bei vielen Betroffenen erschöpft. Da wird dann von der ÖGK zum AMS geschoben. Da hapert es gewaltig.
ME/CFS - Chronisches Fatigue Syndrom
Als ich dann ab Sommer noch zusätzlich mit Erschöpfungszuständen zu kämpfen hatte (ich schaffte den Weg nicht mehr von der Couch zum Kühlschrank), war mein Lichtblick ein Arzt für Neurologie in Wien. Der einzige, der sich bis dato mit dem Thema Long Covid & ME/CFS* beschäftigte! Unterschiedliche Therapien wurden ausprobiert.
Dann ging es für 4 Wochen auf Reha. Während der Reha kam die Energie etwas zurück, meine Nervenschmerzen und Muskelkrämpfe blieben. Im Herbst wieder ein Rückfall. Die Erschöpfungszustände (Fatigue Syndrom) wurden schlimmer, meine kognitiven Beeinträchtigungen merkbar schlechter. Ich konnte keine ganzen Sätze bilden, Wörter fielen mir nicht ein, ich wusste bei der Fahrt zum Arzt nicht mehr, ob ich duschen war, ich wusste nicht mehr, wie ich den Schal binden sollte. Als ich mir im Geschäft bunte Bauklötze ansah, fielen mir Farben nicht mehr ein. Ich starrte das Blau nieder, in der Hoffnung, es antwortet. Trotz Einkaufsliste kam ich nur mit der Hälfte zurück.
Und dabei war ich immer so stolz auf meine Gedächtnisleistung. Egal, welche Projekte oder wie viele Termine, ich hatte alles im Kopf.
Es lässt einen wirklich verzweifeln und man stellt sich immer wieder die Frage „Werde ich wieder die Alte, werde ich wieder gesund?“
Alles wird gut?!
Corona überrollte uns. Alle! Den einen mehr, den anderen weniger. Alles war auf einmal anders.
Mein Schwiegervater starb 2020, meine Jobzusage für April 2020 hatte sich in Luft aufgelöst und 2021 hat mir Long Covid die letzte Energie geraubt. Es war hart - physisch und psychisch. Aber ich habe auch gemerkt, welche Hochleistungsmaschine mein Körper ist. Er arbeitet für mich auf Hochtouren - gerade dann, wenn ich krank bin. Er will mich wieder gesund machen.
Beruflich bin ich völlig aus der Bahn geworfen, aber gesundheitlich am Weg der Besserung. Und das ist das, was für mich zählt und wirklich wichtig ist. Und den Rest werde ich auch wieder geschupft bekommen. Wie immer. Meistens halt. Denn Zuversicht ist die Einsicht auf Aussicht!
Und an alle, die vielleicht selber betroffen sind: Geduld ist das Zauberwort, auch wenn ihr es nicht mehr hören könnt. Haltet durch, überanstrengt euch nicht (Pacing ist das Mittel der Wahl - nicht über die eigenen Grenzen gehen, Puls beachten, Entspannung ...), sucht euch therapeutische Hilfe, wenn ihr sie braucht. Wechselt den Arzt, wenn er euch nicht ernst nimmt. Es geht um eure Gesundheit, ihr müsst niemandem einen Gefallen tun.
Egal was gestern war, heute ist ein neuer Tag. Es wird besser. Es braucht aber Zeit.

* ME/CFS ist eine chronische neuroimmunologische Multisystemerkrankung, die mit schweren körperlichen Einschränkungen einhergeht. Sie ist charakterisiert durch eine lähmende körperliche und geistige Erschöpfung sowie zahlreiche weitere Symptome, die zu Behinderungen führen können. Dazu gehören z.B. schmerzende Lymphknoten, Gelenk- und Muskelschmerzen, Magen-Darmbeschwerden, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Ein Großteil der Long Covid Patienten hat damit zu kämpfen.
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Evelyn (Dienstag, 11 Januar 2022 17:59)
Liebe Susanne, dein Körper mag eine Höchstleistungsmaschine sein, aber du als Mensch bist noch so viel mehr. Ich bin stolz und glücklich, dich zur Freundin zu haben- du bist wunderbar, tapfer, inspirierend und ein unglaubliches Stehaufmännchen. Da könnte sich manch eine/r ein Scheibchen abschneiden. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du deine positive Einstellung nie verlierst und du sehr, sehr bald auch wieder gesund bist. Ich hab dich lieb- Evelyn
Susanne (Dienstag, 11 Januar 2022 18:19)
Liebe Evelyn, ich weiß gerade nicht, was ich sagen soll. Du berührst gerade so mein Herz und ich hab Pipi in den Augen. Danke, dass für mich da bist und dass es dich gibt! Drück dich ganz fest!!